Emscherland-Akkordeon-Orchester
Herne e.V.
1953

 

Am 5. November 2023 feiert das EAO sein 70jähriges Bestehen
mit einem Jubiläumskonzert im Kulturzentrum Herne.

 


 

Jubiläen, Umbruch und Zoff: 1973 - 1983

Im dritten Jahrzehnt der Existenz des Emscherland-Akkordeon-Orchesters Herne e.V. endet eine Ära – und es beginnt eine neue, bis heute andauernde. Willy Goetzke leitet nach seiner schweren Erkrankung Anfang der 70er Jahre zunächst wieder das Lehrorchester. Das letzte Mal tritt er, knapp 73jährig, am 16. April 1978 mit seinen Kindern und Jugendlichen beim Jubiläumskonzert auf. Der Verein wird 25 Jahre alt! Zum ersten Mal wagen sich die EAO-Orchester in das noch neue Kulturzentrum in Herne; zwei Jahre zuvor war es eröffnet worden.

Anlässlich des Silberjubiläums veröffentlicht der Verein erneut – und bis heute zum letzten Mal - eine Festschrift, passend zum Anlass mit silbernem Deckblatt und mit 60 Seiten sehr umfangreich. Wir lesen dort die Grußworte des damaligen Herner Oberbürgermeisters Manfred Urbanski und des EAO-Vorsitzenden Günter Knobloch.  Willy Goetzke äußert sich in der Festschrift zu seiner Motivation und seinen Zielen. Und mit Martin Dejnega und Petra Skrzypczak stellt das Jubiläumsheft die beiden Dirigenten vor, die sich seit 1974 um das Stammorchester gekümmert haben. Beide dirigieren das Orchester auch beim Jubiläumskonzert, wobei Martin den wesentlichen Part übernimmt. Petra leitet das Stammorchester bei dieser Gelegenheit zum letzten Mal.

Willy Goetzke legt alters- und gesundheitsbedingt nach dem Konzert die Leitung des Lehrorchesters nieder, und Petra Skrzypczak wird seine Nachfolgerin. Martin Dejnega ist nun der alleinige Dirigent des E/U-Orchesters, wie es sich nach dem 25jährigen Jubiläum nennt. Willy Goetzke wird zum Ehrendirigenten des EOA ernannt und in dieser Funktion regelmäßig auf den späteren Konzertprogrammblättern erwähnt.

Die Jahreskonzerte im November, die damals in den 70er Jahren noch Titel tragen wie „Bunter Melodienreigen“ oder „Akkordeonklänge“, ab und zu auch einfach „Herbstkonzert“, finden von jetzt ab immer im Kulturzentrum statt. Das Konzertprogramm vom 9. November 1980 zeigt eine weitere Neuigkeit: ein Logo! Nun gut, vielleicht könnte man das Bild des Akkordeons mit Harmonika auf der Deckseite der Festschrift vom April 1978 auch schon als Logo bezeichnen, aber zweieinhalb Jahre später ist es eindeutig: Genau dieses recht natürlich dargestellte Akkordeon findet sich ungefähr seit 1980 auch im Briefkopf von Vorstandsbriefen.

Das wissen wir von Fundstücken aus dem Januar 1981 und 1982, keinen erfreulichen Briefen! Diese Dokumente offenbaren ein ernstes Zerwürfnis zwischen dem Vorstand und dem E/U-Orchester und dessen Dirigenten, das, den Erinnerungen der damals Beteiligten zufolge, fast zu einem Eklat geführt hätte. Der Vorstand warf einigen Mitgliedern die Verantwortung für „tumultartige Zwischenfälle“ bei einer Mitgliederversammlung vor, „vereinsschädigendes Verhalten“ kam zur Sprache, eine offizielle „Verwarnung“ wurde ausgesprochen. Man mag es kaum glauben! Das E/U-Orchester stand offenbar kurz vor seiner Auflösung, der Verein als ganzes wäre gefährdet gewesen! Dirigent und zahlreiche Spieler waren schon drauf und dran, den Verein zu verlassen, bis es doch noch irgendwie zu einer Befriedung kam. Glücklicherweise gelang es dem E/U-Orchester zu deeskalieren. Schon ein Jahr später ist nur eines der damaligen vier Vorstandsmitglieder noch im Amt, nämlich der 2. Vorsitzende, der kurz danach als letzter seine Position aufgibt. Übrigens ist Im Vereinsregister dokumentiert, dass kurzfristig von 1982 bis 1984 sogar fünf Vorstandsmitglieder im Verein tätig sind, ab 1985 sind es bis heute nur noch drei, zeitweilig unterstützt von einem Geschäftsführer.

Das Zerwürfnis ist umso unverständlicher, als dass der Emscherland-Akkordeon-Orchester Herne e.V. ein erfolgreiches, anerkanntes und beliebtes Element im Herner Kulturleben war - und längst auch im DHV, dem Deutschen Harmonika-Verband. Am 1. Juni 1980 organisiert das EAO zum ersten Mal eine DHV-Veranstaltung in Herne, die Bezirksmeisterschaften Ruhr, mit 600 aktiven Musikern. Das E/U-Orchester erspielt sich dort einen 1. Preis in der Oberstufe, Prädikat: hervorragend, besser geht’s nicht! Auch 1981 in Iserlohn, 1982 in Hattingen und 1983 in Oberhausen landen die EAO-Orchester oben auf dem Treppchen.

1981, der Verein hat gut 160 Mitglieder, entstehen aus dem Lehrorchester zwei Jugendorchester. Wie Petra Skrzypczak in der zweiten Ausgabe der Vereinszeitschrift „Taktstock“ berichtet, ist es überhaupt nicht einfach, die Interessen der Kinder und der Jugendlichen bei Proben und Konzerten übereinander zu bringen. So kommt es zur Aufteilung. Das Jugendorchester A leitet Petra, die Kinder im Jugendorchester B werden zunächst von Bärbel Winkler, später von Petra Willeke-Siepmann geleitet. Beim „Bunten Melodienreigen“ im Kulturzentrum Herne am 8. November 1981 treten die beiden Jugendorchester zum ersten Mal öffentlich auf.

Übrigens, über den „Taktstock“ berichten wir demnächst mal ausführlicher.

1983 ist wieder ein Jubiläumsjahr, der Verein wird 30 Jahre alt. Und zum ersten Mal bricht man nach Innsbruck auf, mit allen drei Orchestern und zwei Bussen. Dort in Österreich findet das erste Alpenländische Akkordeon-Festival statt, wie seitdem alle drei Jahre, längst unter der Bezeichnung World Music Festival Innsbruck. Letztes Jahr, 2022, musste es zum bisher einzigen Mal ausfallen, Corona war schuld.

Zur Feier des Jubiläums spielt das EAO eine Langspielplatte ein. Antje, damals Mitspielerin und heute EAO-Vorsitzende, hat ihre Erinnerungen neulich so zusammengefasst: „Zum 30jährigem Geburtstag haben wir uns ein ganz persönliches Geburtstagsgeschenk gemacht und eine Langspielplatte aufgenommen. LP, was ist das denn, wird mancher junge Mensch fragen. Die LP war das, was heute apple music und Spotify sind, allerdings nur beschränkt auf ca. 10 Titel, dann war Schluss.  Die Aufnahmen fanden damals in einem Tonstudio in Haltern statt. Beim ersten Termin im Tonstudio hatte der Toningenieur den Termin vergessen. Da er eingeschlafen war, mussten wir ihn erst wecken.

In vielen Sitzungen wurden die Stücke eingespielt. Ich persönlich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Es waren sehr zeitintensive und anstrengende Aufnahmen. Heute gibt es noch eine geringe Anzahl der LPs, gepresst wurden damals ca. 500 Stück.“

Leider findet sich im Fundus des Chronisten keine einzige dieser Platten mehr, wohl aber das Masterband und ein paar Kassetten mit gleichem musikalischen Inhalt. Zur Not könnten wir also nochmal 500 Black Disks pressen lassen …

Das Jubiläumskonzert zum 30. Geburtstag findet – schon traditionell - im Kulturzentrum Herne statt, alle drei Orchester präsentieren sich dort am 27. November 1983. Und die frischgepressten Platten werden bei dieser Gelegenheit erstmalig angeboten.

Aber Mitte Dezember berichtet die WAZ: Die Platte ist unbrauchbar. Das Presswerk in Bremen hat die Löcher in der Mitte nicht genau zentrisch gestanzt, so dass sie auf dem Plattenspieler nicht rund drehen. Ein paar Wochen werden die unbrauchbaren Scheiben gegen fehlerfreie umgetauscht, und die WAZ schreibt: „Jetzt ist die Tonqualität erstklassig.“ Und die künstlerische sowieso.

 

 



Jubiläumsfeier

Das Jubiläumskonzert erwartet uns am 5. November 2023 im Kulturzentrum; wir proben schon eifrig, um nach den Sternen über Herne greifen zu können ...

Aber ein halbes Jahr vorher feiern wir, am 7. Mai, ziemlich genau 70 Jahre nach dem allerersten Auftritt des Kinder-Akkordeonorchesters Herne-Horsthausen damals anlässlich des Muttertages 1953. Im Zauberkasten in Bochum-Riemke trafen sich 50 Emscherländerinnen und Emscherländer zum Begrüßungssekt, haben Antjes Begrüßungsrede zugehört, in der sie einen Blick auf 70 Jahre EAO-Geschichte warf, haben Helmut Sanftenschneiders Anekdoten aus einem aufregenden Künsterleben zugejubelt und seine Herne-Songs genossen - und Martin zum 50jährigen Dirigentenjubiläum gratuliert. Demnächst mehr darüber!

Lecker gegessen haben wir natürlich auch, es gab sogar einen Jubiläumskuchen.

 

 


 

Das zweite Jahrzehnt: 1963 – 1973

Die Kinder der ersten Stunde sind mit dem Verein älter geworden, und seit 1958 tritt das Vereinsorchester folgerichtig unter dem Namen „1. Jugend-Akkordeon-Orchester Herne“ auf, darüber hatten wir schon berichtet. Genauso lautet im Jahre 1963 auch der Name des Vereins, und wenn dann das Kinderorchester auftritt – ja, wie nennt man es dann? Kinderorchester des 1. Jugend-Akkordeon-Orchesters Herne? Verwirrend!

Der damalige Vorstand mit seinem Vorsitzenden Heinrich Richter findet die Lösung und den neuen genial-originellen Namen: Emscherland-Akkordeon-Orchester Herne, leicht und griffig abzukürzen als EAO und seit dem 27. Februar 1964 ein beim Amtsgericht Herne eingetragener Verein. Am Namen des EAO hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn längst das Amtsgericht Bochum das Vereinsregister in der Nachbarstadt Herne führt. Genau wissen wir’s nicht, aber vermutlich war der Verein steuerrechtlich schon damals als gemeinnützig anerkannt. Sowohl das Engagement für die Förderung von Kunst und Kultur wie auch das soziale Engagement – viele kostenlose Konzerte in Altenheimen und Krankenhäusern, sogar Auftritte in einem Herner Kinderheim sind dokumentiert – waren beispielgebend.

Der Auszug aus dem Herner Vereinsregister verrät eine kleine Besonderheit. Bärbel Borutta, in den 60er Jahren nach wie vor als Spielerin des Orchesters, als Solistin bei zahlreichen Konzerten und als Schriftführerin im Vorstand des Vereins aktiv, ist mittlerweile als Justizsekretärin beim Amtsgericht Herne tätig. In dieser Funktion beurkundet sie am 7. Dezember 1967 die Namen des Vereinsvorstandes, dem sie selbst angehört. Auch später, bis 1977, sieht man im Register ihre Unterschrift, nun aber als Bärbel Günther, denn sie hat geheiratet.

Ihren Ehemann Gerhard Günther hat sie bei gemeinsamen Konzerten mit der MaKoGe, der Mandolinen-Konzert-Gesellschaft Herne 1924 e.V., kennengelernt. Die MaKoGe ist eine von mehreren Musikformationen, mit denen die Orchester des EAO schon im ersten Jahrzehnt des Vereins immer wieder zusammenarbeiten und gemeinsame Konzerte anbieten. Bereits in der 1963 erschienenen Festschrift zum 10jährigen Jubiläum des Jugend-Akkordeon-Orchesters Herne (siehe unten) meldet sich die MaKoGe zu Wort. Ihr Glückwunsch an die Akkordeonisten endet mit einem herzlichen „Gut Klang“ – und so wissen wir nun auch, woher dieser Gruß stammt, der noch heute bei jeder Geburtstagsrunde eine wichtige Rolle spielt.

1964 übernimmt Adalbert Güldenstern den Vorsitz des Emscherland-Akkordeon-Orchester Herne e.V. In seiner sechsjährigen Ära bis 1970 finden zahlreiche Austauschkonzerte mit Orchestern aus den Nachbarstaaten statt, vor allem aus Holland. Das EAO nimmt immer wieder an Wettbewerben teil, im Inland ebenso wie im Ausland, und bringt dabei regelmäßig Spitzenresultate zurück nach Herne. In Adalbert Güldensterns Ägide als Vereinsvorsitzender fällt auch das 15jährige Jubiläum des Vereins. Es lohnt sich, in der Festschrift zu blättern und die dort dokumentierten Aktivitäten der EAO-Orchester zu bestaunen. Auch die Herner Zeitungen berichten nun regelmäßig über die Konzerte des EAO. Der Verein hat sich als eine ernstzunehmende Instanz im Herner Kulturleben etabliert.

Am 24. April 1966, beim Frühjahrskonzert in der Lichtburg in Herne, taucht auch auf dem Konzertprogramm zum ersten Mal die Bezeichnung Emscherland-Akkordeon-Orchester Herne auf. Immer vorausgesetzt natürlich, wir haben nicht etwa ein früheres Event mit dem Vereinsnamen übersehen. Aber das ist unwahrscheinlich, denn die Sammlung der Konzertprogramme von Martin Dejnega, die wir hier als Grundlage nutzen, ist gut gepflegt und vollständig. Die Orchester werden als Jugendorchester und als Kinderorchester bezeichnet, beide geleitet von Willy Goetzke, dem Gründer des Vereins. Am 18. September 1971 taucht bei einem Freundschaftskonzert in Waalwijk (Holland) mit der dortigen Accordeola zum ersten Mal der Name Gerhard Günther – genau: der Ehemann „unserer“ Bärbel – als Orchesterleiter auf. Ein Jahr später, am 12. November 1972 sind es Willy Goetzke als Leiter des Lehrorchesters und Herbert Kühn als Leiter des Stammorchesters. Hier wahrscheinich erstmalig werden diese Bezeichnungen für Kinder- und Jugendorchester verwendet. Vermutlich kommt das vor allem den Jugendlichen entgegen, die ja längst junge Erwachsene sind, wenn auch bei der damaligen Gesetzeslage noch nicht alle volljährig..

Der Wechsel in der Leitung hatte eine unerfreuliche Ursache: Willy Goetzke laborierte ernsthaft an einer Herzkrankheit, war längere Zeit im Krankenhaus und musste danach kürzertreten. Deshalb hat er die Leitung des Jugend- bzw. Stammorchesters in andere Hände legen müssen. Ein erster Versuch mit einem Interimsdirigenten geht schon nach wenigen Monaten schief; das Orchester hätte als Tanzorchester positioniert werden sollen – außer dem Dirigenten will das niemand. Herbert Kühn, der das Orchester 1972 und 1973 leitet, letztmalig beim Jubiläumskonzert am 3. November 1973, war gleichzeitig der Chef der Mandolinen-Konzert-Gesellschaft und damit gut bekannt beim EAO; es hatte ja zahlreiche gemeinsame Konzerte gegeben. Anfang 1974 legt er dennoch beim EAO sein Amt nieder, und darüber wollen wir schon bald berichten. Hier sei nur dies verraten: Im Juni 1973 legen zwei EAO-Spieler ihre Dirigentenprüfung ab: Petra Skrypczak und Martin Dejnega.

 


 

Noch ein paar Splitter von früher

Zwei Dinge aus den ersten zehn Jahren müssen wir noch erwähnen:

Zum ersten, dass das 1. Jugend-Akkordeon-Orchester Herne seit dem 1. April 1958 Mitglied des Deutschen Harmonika-Verbandes ist und auch heute noch diesem Dachverband angehört.

 

Und die Frage nach dem allerersten Konzert müssen wir versuchen zu klären.

Martin Dejnega besitzt einen liebevoll gepflegten Ordner mit alten Konzert-Erinnerungen, vor allem alten Programmen, und dort findet sich unter dem Stichwort „Das erste Konzert!“ ein Programmzettel des Gartenkonzertes vom 11. Juli 1954. Der 11. Juli damals war ein Sonntag, leider Regen, zumindest in Berlin, Bremen, Hamburg und Frankfurt. Ob auch in Herne, wissen wir nicht so genau …

Jedoch: Die Chronik zum 10jährigen Jubiläum weist kein Konzert an diesem verregneten Julitag im Jahre 1954 aus. Eine irrtümliche Auslassung in der Chronik? Oder gehört das Programm zu dem Konzert, das schon ein Jahr zuvor, am 11. Juli 1953 stattgefunden hat? Das aber war damals ein Samstag, und die 40-Stunden- oder gar die 35-Stunden-Woche gab’s noch nicht. Viele Menschen mussten damals samstags noch arbeiten. Ein idealer Termin für das allererste Konzert eines Kinderorchesters, bei dem die Eltern natürlich zuhören wollten, wäre das nicht gewesen. Gut möglich, dass das Konzert damals doch am 12. Juli 1953 stattgefunden hat, auch ein Sonntag. Die handschriftliche Korrektur in der Chronik vom 12. Juli auf den 11. Juli wäre dann falsch.

Ein paar Tage, nachdem wir den Text oben gepostet haben, ist ein Artikel der Herner Zeitung aufgetaucht, in dem über das "Debut" des Horsthauser Kinderakkordeon-Orchester vom 11. Juli 1954 berichtet wird. Damit wissen wir jetzt sicher: Es hat (fast) geregnet. Und am 11. Juli gab es ein Konzert. Aber was ist am 12. Juli 1953 passiert? Wir recherchieren weiter ...

 


 

Die ersten zehn Jahre: 1953 – 1963

Am 1. Oktober 1953, vor fast siebzig Jahren, wird die achtjährige Bärbel Borutta in den Kinder-Akkordeonclub Herne-Horsthausen aufgenommen.

Schon seit April 1953 erhält sie Akkordeonunterricht beim damals 47jährigen Willy Goetzke - Musiklehrer, Geiger, Schlagzeuger, Akkordeonist und Saxofonist. Er ist der Begründer und der Dirigent des Herner Akkordeonclubs, er entwickelt sich zum spiritus rector der Herner Akkordeonszene. Irgendwann in den ersten Monaten des Jahres 1953, vielleicht sogar schon Ende 1952, wie und wann genau wissen wir nicht mehr, haben sich unter seiner Leitung etwa zwanzig Kinder, Jungen und Mädchen, zum Akkordeonclub zusammengefunden. Willy Goetzke unterrichtet sie und formt sie zu einem Orchester.

Erste öffentliche Auftritte

Am 10. Mai 1953 tritt der Herner Kinder-Akkordeonclub im Städtischen Altersheim zum ersten Mal öffentlich auf. Das war damals am Muttertag. Dann wieder am 11. Juli beim ersten Konzert des Clubs im Garten der Gaststätte Wippermann in Horsthausen und schließlich am 26. Dezember beim Weihnachtskonzert im Evangelischen Krankenhaus und erneut im Städtischen Altersheim.

Der Auftritt im Krankenhaus hat eine bis zunächst 2019 andauernde Tradition begründet. Immer an den Weihnachtstagen, seit langem schon an Heiligabend, besuchen Spielerinnen und Spieler des Emscherland-Akkordeon-Orchesters das evangelische Krankenhaus und spielen für die Unglücklichen, die ausgerechnet die Weihnachtszeit im Krankenhaus verbringen müssen. Die Corona-Pandemie hat diesen Brauch in den letzten drei Jahren unterbrochen. In diesem Jubiläumsjahr 2023 wollen wir die Tradition wieder aufleben lassen.

Die 50er Jahre

Schon bald tritt Willy Goetzke mit seinem Kinder-Akkordeonclub auch außerhalb Hernes auf. Die Festschrift zum zehnjährigen Bestehen des Vereins verzeichnet in 1956 ein Konzert in Buchenberg am Edersee in Hessen, 1957 nimmt das Orchester an den „2. Deutschen Volksmusiktagen" in Halle an der Saale in der damaligen DDR teil, natürlich auch in der Nachbarstadt Wanne-Eickel (genau: damals noch eine eigenständige Gemeinde) gibt es Auftritte. Ab 1958 werden immer wieder Konzerte in Holland erwähnt.

Bemerkenswert der Auftritt am 20. September 1959 in Dortmund anlässlich der Bundesgartenschau. Der Veranstalter schickt ein Dankschreiben an den Verein: „Das Konzert war ganz ausgezeichnet, und 5000 Zuschauer waren von den Darbietungen begeistert.“ 5000 Zuschauer! Vermutlich hatten wir so viele Zuhörer danach nie mehr …

Erfolge

Willy Goetzke nimmt mit dem 1. Jugend-Akkordeon-Orchester Herne, wie es ab 1958 heißt, immer wieder an Wertungsspielen teil, sogar international. 1959 gibt’s einen Ersten Preis in Bree (Belgien), 1960 wieder einen Ersten und einen Sonderpreis in Utrecht (Holland) und 1961 in Wijk (Holland) den Ersten Preis mit Lob.

Willy Goetzkes Schülerinnen und Schüler beteiligen sich auch an Einzelmeisterschaften. 1958 wird Bärbel Borutta, mittlerweile 13 Jahre alt, Stadtmeisterin, ebenso wie ein gewisser Gerd Kanacher, im Verein seit 1957, bei den jüngeren Akkordeonspielern. Beide werden sie in den Folgejahren immer wieder mit hervorragenden Platzierungen bei diversen Wettbewerben erwähnt – und ebenso manch ein anderer aus den Reihen der Schüler von Willy Goetzke.

Die Mitgliederzahl des Vereins ist mittlerweile stark angestiegen, und neben dem Jugendorchester gibt es auch wieder ein Kinderorchester mit jüngeren Akkordeonisten. Am 1. Februar 1960 findet Brigitte Biringer, heute Konzertmeisterin im Hobbyorchester und lange mit Dieter Kischkel verheiratet, ihren Weg in den Verein und am 1. Juli 1960 ein gerade noch achtjähriger Steppke namens Martin Dejnega, über den wir demnächst noch häufiger lesen werden.

Und „Fräulein Bärbel Borutta“, wie es in der Festschrift zum Zehnjährigen heißt? im Jubiläumsjahr 1963 ist sie eine junge Dame, sie wird 18 Jahre alt. Vor ein paar Tagen hat Bärbel Günther, geb. Borutta, ihren 78. Geburtstag gefeiert, sie ist immer noch Vereinsmitglied. Unserer dienstältesten Emscherländerin nachträglich herzlichen Glückwunsch!

mit Sternchen gekennzeichnet (vlnr): Bärbel Borutta, Brigitte Kischkel, Martin Dejnega

 

 

Die treibende Kraft

Wilhelm Goetzke, genannt Willy, geboren am 13. Mai 1905, hat eine Ausbildung als Musiklehrer absolviert. Sein Hauptinstrument war die Violine, daneben spielte er Saxofon und Schlagwerk. Während des Zweiten Weltkrieges diente er zeitweise als Militärmusiker. Dort lernte er den Komponisten und Akkordeonisten Curt Mahr kennen und begann selbst, sich für das Akkordeonspiel zu interessieren.

Nach dem Krieg nutzte er sein Können, um Kinder und Jugendliche für das Akkordeonspiel zu begeistern und auszubilden. So legte er 1953 den Grundstock für das Emscherland-Akkordeon-Orchester Herne e.V.

Seine Frau Maria und er blieben kinderlos. Umso mehr hat er sich für seine Akkordeonkinder engagiert. Seine Schüler schildern ihn als musikpädagogisch motivierenden und zudem herzensguten Menschen, der für die Kinder unter seiner Obhut immer ein gutes Wort und oft eine Leckerei zur Hand hatte. Die vier im Hauptartikel erwähnten Spieler, Bärbel Borutta, Brigitte Kischkel, Gerd Kanacher und Martin Dejnega, alle noch heute Vereinsmitglieder, waren seine Schüler. Sie alle erinnern sich mit Hochachtung an ihren Lehrer aus den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Willy Goetzke hat bis April 1978 die Emscherländer Jugend- und Kinderorchester geleitet.

1979 wurde ihm die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Ferner war er Träger der Volksmusikmedaille des Deutschen Harmonika-Verbandes e.V.

Wilhelm Goetzke ist am 21. Februar 2003 in seinem 98. Lebensjahr verstorben, unvergessen von seinen Schülern und dem EAO.

 

Bärbel Borutta und Willy Goetzke, etwa 1963

 


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