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Emscherland-Akkordeon-Orchester
Herne e.V.
1953

 

Das EAO wird 70 Jahre alt!

Hier werfen wir einen Blick auf sieben spannende Jahrzehnte.

 

 

 

 

Die ersten zehn Jahre: 1953 – 1963

Am 1. Oktober 1953, vor fast siebzig Jahren, wird die achtjährige Bärbel Borutta in den Kinder-Akkordeonclub Herne-Horsthausen aufgenommen.

Schon seit April 1953 erhält sie Akkordeonunterricht beim damals 47jährigen Willy Goetzke - Musiklehrer, Geiger, Schlagzeuger, Akkordeonist und Saxofonist. Er ist der Begründer und der Dirigent des Herner Akkordeonclubs, er entwickelt sich zum spiritus rector der Herner Akkordeonszene. Irgendwann in den ersten Monaten des Jahres 1953, vielleicht sogar schon Ende 1952, wie und wann genau wissen wir nicht mehr, haben sich unter seiner Leitung etwa zwanzig Kinder, Jungen und Mädchen, zum Akkordeonclub zusammengefunden. Willy Goetzke unterrichtet sie und formt sie zu einem Orchester.

Erste öffentliche Auftritte

Am 10. Mai 1953 tritt der Herner Kinder-Akkordeonclub im Städtischen Altersheim zum ersten Mal öffentlich auf. Das war damals am Muttertag. Dann wieder am 11. Juli beim ersten Konzert des Clubs im Garten der Gaststätte Wippermann in Horsthausen und schließlich am 26. Dezember beim Weihnachtskonzert im Evangelischen Krankenhaus und erneut im Städtischen Altersheim.

Der Auftritt im Krankenhaus hat eine bis zunächst 2019 andauernde Tradition begründet. Immer an den Weihnachtstagen, seit langem schon an Heiligabend, besuchen Spielerinnen und Spieler des Emscherland-Akkordeon-Orchesters das evangelische Krankenhaus und spielen für die Unglücklichen, die ausgerechnet die Weihnachtszeit im Krankenhaus verbringen müssen. Die Corona-Pandemie hat diesen Brauch in den letzten drei Jahren unterbrochen. In diesem Jubiläumsjahr 2023 wollen wir die Tradition wieder aufleben lassen.

Die 50er Jahre

Schon bald tritt Willy Goetzke mit seinem Kinder-Akkordeonclub auch außerhalb Hernes auf. Die Festschrift zum zehnjährigen Bestehen des Vereins verzeichnet in 1956 ein Konzert in Buchenberg am Edersee in Hessen, 1957 nimmt das Orchester an den „2. Deutschen Volksmusiktagen" in Halle an der Saale in der damaligen DDR teil, natürlich auch in der Nachbarstadt Wanne-Eickel (genau: damals noch eine eigenständige Gemeinde) gibt es Auftritte. Ab 1958 werden immer wieder Konzerte in Holland erwähnt.

Bemerkenswert der Auftritt am 20. September 1959 in Dortmund anlässlich der Bundesgartenschau. Der Veranstalter schickt ein Dankschreiben an den Verein: „Das Konzert war ganz ausgezeichnet, und 5000 Zuschauer waren von den Darbietungen begeistert.“ 5000 Zuschauer! Vermutlich hatten wir so viele Zuhörer danach nie mehr …

Erfolge

Willy Goetzke nimmt mit dem 1. Jugend-Akkordeon-Orchester Herne, wie es ab 1958 heißt, immer wieder an Wertungsspielen teil, sogar international. 1959 gibt’s einen Ersten Preis in Bree (Belgien), 1960 wieder einen Ersten und einen Sonderpreis in Utrecht (Holland) und 1961 in Wijk (Holland) den Ersten Preis mit Lob.

Willy Goetzkes Schülerinnen und Schüler beteiligen sich auch an Einzelmeisterschaften. 1958 wird Bärbel Borutta, mittlerweile 13 Jahre alt, Stadtmeisterin, ebenso wie ein gewisser Gerd Kanacher, im Verein seit 1957, bei den jüngeren Akkordeonspielern. Beide werden sie in den Folgejahren immer wieder mit hervorragenden Platzierungen bei diversen Wettbewerben erwähnt – und ebenso manch ein anderer aus den Reihen der Schüler von Willy Goetzke.

Die Mitgliederzahl des Vereins ist mittlerweile stark angestiegen, und neben dem Jugendorchester gibt es auch wieder ein Kinderorchester mit jüngeren Akkordeonisten. Am 1. Februar 1960 findet Brigitte Biringer, heute Konzertmeisterin im Hobbyorchester und lange mit Dieter Kischkel verheiratet, ihren Weg in den Verein und am 1. Juli 1960 ein gerade noch achtjähriger Steppke namens Martin Dejnega, über den wir demnächst noch häufiger lesen werden.

Und „Fräulein Bärbel Borutta“, wie es in der Festschrift zum Zehnjährigen heißt? im Jubiläumsjahr 1963 ist sie eine junge Dame, sie wird 18 Jahre alt. Vor ein paar Tagen hat Bärbel Günther, geb. Borutta, ihren 78. Geburtstag gefeiert, sie ist immer noch Vereinsmitglied. Unserer dienstältesten Emscherländerin nachträglich herzlichen Glückwunsch!

Als wir die Chronik der ersten zehn Jahre im April 2023 für die Homepage aufgeschrieben haben, gab es auch Gespräche mit Bärbel, die gerade um ihren jüngst verstorbenen Mann Günther trauerte, uns aber dennoch gerne von ihren eigenen Erinnerungen berichtet hat. Damals konnten wir nicht ahnen, dass Bärbel im Juli 2023 versterben würde. Noch wenige Tage vor ihrem Tod hat sie uns bei den Texten auf dieser Seite geholfen. Das EAO und seine Mitglieder trauern mit ihren drei Kindern Simone, Gero und Timo und ihren Enkelkindern um Bärbel.

mit Sternchen gekennzeichnet (vlnr): Bärbel Borutta, Brigitte Kischkel, Martin Dejnega

 

 

Die treibende Kraft

Wilhelm Goetzke, genannt Willy, geboren am 13. Mai 1905, hat eine Ausbildung als Musiklehrer absolviert. Sein Hauptinstrument war die Violine, daneben spielte er Saxofon und Schlagwerk. Während des Zweiten Weltkrieges diente er zeitweise als Militärmusiker. Dort lernte er den Komponisten und Akkordeonisten Curt Mahr kennen und begann selbst, sich für das Akkordeonspiel zu interessieren.

Nach dem Krieg nutzte er sein Können, um Kinder und Jugendliche für das Akkordeonspiel zu begeistern und auszubilden. So legte er 1953 den Grundstock für das Emscherland-Akkordeon-Orchester Herne e.V.

Seine Frau Maria und er blieben kinderlos. Umso mehr hat er sich für seine Akkordeonkinder engagiert. Seine Schüler schildern ihn als musikpädagogisch motivierenden und zudem herzensguten Menschen, der für die Kinder unter seiner Obhut immer ein gutes Wort und oft eine Leckerei zur Hand hatte. Die vier im Hauptartikel erwähnten Spieler, Bärbel Borutta, Brigitte Kischkel, Gerd Kanacher und Martin Dejnega, alle noch heute Vereinsmitglieder, waren seine Schüler. Sie alle erinnern sich mit Hochachtung an ihren Lehrer aus den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Willy Goetzke hat bis April 1978 die Emscherländer Jugend- und Kinderorchester geleitet.

1979 wurde ihm die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Ferner war er Träger der Volksmusikmedaille des Deutschen Harmonika-Verbandes e.V.

Wilhelm Goetzke ist am 21. Februar 2003 in seinem 98. Lebensjahr verstorben, unvergessen von seinen Schülern und dem EAO.

 

Bärbel Borutta und Willy Goetzke, etwa 1963

 


 

Noch ein paar Splitter von früher

Zwei Dinge aus den ersten zehn Jahren müssen wir noch erwähnen:

Zum ersten, dass das 1. Jugend-Akkordeon-Orchester Herne seit dem 1. April 1958 Mitglied des Deutschen Harmonika-Verbandes ist und auch heute noch diesem Dachverband angehört.

 

Und die Frage nach dem allerersten Konzert müssen wir versuchen zu klären.

Martin Dejnega besitzt einen liebevoll gepflegten Ordner mit alten Konzert-Erinnerungen, vor allem alten Programmen, und dort findet sich unter dem Stichwort „Das erste Konzert!“ ein Programmzettel des Gartenkonzertes vom 11. Juli 1954. Der 11. Juli damals war ein Sonntag, leider Regen, zumindest in Berlin, Bremen, Hamburg und Frankfurt. Ob auch in Herne, wissen wir nicht so genau …

Jedoch: Die Chronik zum 10jährigen Jubiläum weist kein Konzert an diesem verregneten Julitag im Jahre 1954 aus. Eine irrtümliche Auslassung in der Chronik? Oder gehört das Programm zu dem Konzert, das schon ein Jahr zuvor, am 11. Juli 1953 stattgefunden hat? Das aber war damals ein Samstag, und die 40-Stunden- oder gar die 35-Stunden-Woche gab’s noch nicht. Viele Menschen mussten damals samstags noch arbeiten. Ein idealer Termin für das allererste Konzert eines Kinderorchesters, bei dem die Eltern natürlich zuhören wollten, wäre das nicht gewesen. Gut möglich, dass das Konzert damals doch am 12. Juli 1953 stattgefunden hat, auch ein Sonntag. Die handschriftliche Korrektur in der Chronik vom 12. Juli auf den 11. Juli wäre dann falsch.

Ein paar Tage, nachdem wir den Text oben gepostet haben, ist ein Artikel der Herner Zeitung aufgetaucht, in dem über das "Debut" des Horsthauser Kinderakkordeon-Orchester vom 11. Juli 1954 berichtet wird. Damit wissen wir jetzt sicher: Es hat (fast) geregnet. Und am 11. Juli gab es ein Konzert. Aber was ist am 12. Juli 1953 passiert? Wir recherchieren weiter ...

 


 

Das zweite Jahrzehnt: 1963 – 1973

Die Kinder der ersten Stunde sind mit dem Verein älter geworden, und seit 1958 tritt das Vereinsorchester folgerichtig unter dem Namen „1. Jugend-Akkordeon-Orchester Herne“ auf, darüber hatten wir schon berichtet. Genauso lautet im Jahre 1963 auch der Name des Vereins, und wenn dann das Kinderorchester auftritt – ja, wie nennt man es dann? Kinderorchester des 1. Jugend-Akkordeon-Orchesters Herne? Verwirrend!

Der damalige Vorstand mit seinem Vorsitzenden Heinrich Richter findet die Lösung und den neuen genial-originellen Namen: Emscherland-Akkordeon-Orchester Herne, leicht und griffig abzukürzen als EAO und seit dem 27. Februar 1964 ein beim Amtsgericht Herne eingetragener Verein. Am Namen des EAO hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn längst das Amtsgericht Bochum das Vereinsregister in der Nachbarstadt Herne führt. Genau wissen wir’s nicht, aber vermutlich war der Verein steuerrechtlich schon damals als gemeinnützig anerkannt. Sowohl das Engagement für die Förderung von Kunst und Kultur wie auch das soziale Engagement – viele kostenlose Konzerte in Altenheimen und Krankenhäusern, sogar Auftritte in einem Herner Kinderheim sind dokumentiert – waren beispielgebend.

Der Auszug aus dem Herner Vereinsregister verrät eine kleine Besonderheit. Bärbel Borutta, in den 60er Jahren nach wie vor als Spielerin des Orchesters, als Solistin bei zahlreichen Konzerten und als Schriftführerin im Vorstand des Vereins aktiv, ist mittlerweile als Justizsekretärin beim Amtsgericht Herne tätig. In dieser Funktion beurkundet sie am 7. Dezember 1967 die Namen des Vereinsvorstandes, dem sie selbst angehört. Auch später, bis 1977, sieht man im Register ihre Unterschrift, nun aber als Bärbel Günther, denn sie hat geheiratet.

Ihren Ehemann Gerhard Günther hat sie bei gemeinsamen Konzerten mit der MaKoGe, der Mandolinen-Konzert-Gesellschaft Herne 1924 e.V., kennengelernt. Die MaKoGe ist eine von mehreren Musikformationen, mit denen die Orchester des EAO schon im ersten Jahrzehnt des Vereins immer wieder zusammenarbeiten und gemeinsame Konzerte anbieten. Bereits in der 1963 erschienenen Festschrift zum 10jährigen Jubiläum des Jugend-Akkordeon-Orchesters Herne (siehe unten) meldet sich die MaKoGe zu Wort. Ihr Glückwunsch an die Akkordeonisten endet mit einem herzlichen „Gut Klang“ – und so wissen wir nun auch, woher dieser Gruß stammt, der noch heute bei jeder Geburtstagsrunde eine wichtige Rolle spielt.

1964 übernimmt Adalbert Güldenstern den Vorsitz des Emscherland-Akkordeon-Orchester Herne e.V. In seiner sechsjährigen Ära bis 1970 finden zahlreiche Austauschkonzerte mit Orchestern aus den Nachbarstaaten statt, vor allem aus Holland. Das EAO nimmt immer wieder an Wettbewerben teil, im Inland ebenso wie im Ausland, und bringt dabei regelmäßig Spitzenresultate zurück nach Herne. In Adalbert Güldensterns Ägide als Vereinsvorsitzender fällt auch das 15jährige Jubiläum des Vereins. Es lohnt sich, in der Festschrift zu blättern und die dort dokumentierten Aktivitäten der EAO-Orchester zu bestaunen. Auch die Herner Zeitungen berichten nun regelmäßig über die Konzerte des EAO. Der Verein hat sich als eine ernstzunehmende Instanz im Herner Kulturleben etabliert.

Am 24. April 1966, beim Frühjahrskonzert in der Lichtburg in Herne, taucht auch auf dem Konzertprogramm zum ersten Mal die Bezeichnung Emscherland-Akkordeon-Orchester Herne auf. Immer vorausgesetzt natürlich, wir haben nicht etwa ein früheres Event mit dem Vereinsnamen übersehen. Aber das ist unwahrscheinlich, denn die Sammlung der Konzertprogramme von Martin Dejnega, die wir hier als Grundlage nutzen, ist gut gepflegt und vollständig. Die Orchester werden als Jugendorchester und als Kinderorchester bezeichnet, beide geleitet von Willy Goetzke, dem Gründer des Vereins. Am 18. September 1971 taucht bei einem Freundschaftskonzert in Waalwijk (Holland) mit der dortigen Accordeola zum ersten Mal der Name Gerhard Günther – genau: der Ehemann „unserer“ Bärbel – als Orchesterleiter auf. Ein Jahr später, am 12. November 1972 sind es Willy Goetzke als Leiter des Lehrorchesters und Herbert Kühn als Leiter des Stammorchesters. Hier wahrscheinich erstmalig werden diese Bezeichnungen für Kinder- und Jugendorchester verwendet. Vermutlich kommt das vor allem den Jugendlichen entgegen, die ja längst junge Erwachsene sind, wenn auch bei der damaligen Gesetzeslage noch nicht alle volljährig..

Der Wechsel in der Leitung hatte eine unerfreuliche Ursache: Willy Goetzke laborierte ernsthaft an einer Herzkrankheit, war längere Zeit im Krankenhaus und musste danach kürzertreten. Deshalb hat er die Leitung des Jugend- bzw. Stammorchesters in andere Hände legen müssen. Ein erster Versuch mit einem Interimsdirigenten geht schon nach wenigen Monaten schief; das Orchester hätte als Tanzorchester positioniert werden sollen – außer dem Dirigenten will das niemand. Herbert Kühn, der das Orchester 1972 und 1973 leitet, letztmalig beim Jubiläumskonzert am 3. November 1973, war gleichzeitig der Chef der Mandolinen-Konzert-Gesellschaft und damit gut bekannt beim EAO; es hatte ja zahlreiche gemeinsame Konzerte gegeben. Anfang 1974 legt er dennoch beim EAO sein Amt nieder, und darüber wollen wir schon bald berichten. Hier sei nur dies verraten: Im Juni 1973 legen zwei EAO-Spieler ihre Dirigentenprüfung ab: Petra Skrypczak und Martin Dejnega.

 


 

Jubiläen, Umbruch und Zoff: 1973 - 1983

Im dritten Jahrzehnt der Existenz des Emscherland-Akkordeon-Orchesters Herne e.V. endet eine Ära – und es beginnt eine neue, bis heute andauernde. Willy Goetzke leitet nach seiner schweren Erkrankung Anfang der 70er Jahre zunächst wieder das Lehrorchester. Das letzte Mal tritt er, knapp 73jährig, am 16. April 1978 mit seinen Kindern und Jugendlichen beim Jubiläumskonzert auf. Der Verein wird 25 Jahre alt! Zum ersten Mal wagen sich die EAO-Orchester in das noch neue Kulturzentrum in Herne; zwei Jahre zuvor war es eröffnet worden.

Anlässlich des Silberjubiläums veröffentlicht der Verein erneut – und bis heute zum letzten Mal - eine Festschrift, passend zum Anlass mit silbernem Deckblatt und mit 60 Seiten sehr umfangreich. Wir lesen dort die Grußworte des damaligen Herner Oberbürgermeisters Manfred Urbanski und des EAO-Vorsitzenden Günter Knobloch. Willy Goetzke äußert sich in der Festschrift zu seiner Motivation und seinen Zielen. Und mit Martin Dejnega und Petra Skrzypczak stellt das Jubiläumsheft die beiden Dirigenten vor, die sich seit 1974 um das Stammorchester gekümmert haben. Beide dirigieren das Orchester auch beim Jubiläumskonzert, wobei Martin den wesentlichen Part übernimmt. Petra leitet das Stammorchester bei dieser Gelegenheit zum letzten Mal.

Willy Goetzke legt alters- und gesundheitsbedingt nach dem Konzert die Leitung des Lehrorchesters nieder, und Petra Skrzypczak wird seine Nachfolgerin. Martin Dejnega ist nun der alleinige Dirigent des E/U-Orchesters, wie es sich nach dem 25jährigen Jubiläum nennt. Willy Goetzke wird zum Ehrendirigenten des EAO ernannt und in dieser Funktion noch viele Jahre lang auf den späteren Konzertprogrammblättern erwähnt.

Die Jahreskonzerte im November, die damals in den 70er Jahren noch Titel tragen wie „Bunter Melodienreigen“ oder „Akkordeonklänge“, ab und zu auch einfach „Herbstkonzert“, finden von jetzt ab immer im Kulturzentrum statt. Das Konzertprogramm vom 9. November 1980 zeigt eine weitere Neuigkeit: ein Logo! Nun gut, vielleicht könnte man auch schon das Bild des Akkordeons mit Harmonika auf der Deckseite der Festschrift vom April 1978 als Logo bezeichnen, aber zweieinhalb Jahre später ist es eindeutig: Genau dieses recht naturalistisch dargestellte Akkordeon findet sich ungefähr seit 1980 auch im Briefkopf von Vorstandsbriefen.

Das wissen wir von Fundstücken aus dem Januar 1981 und 1982, keinen erfreulichen Briefen! Diese Dokumente offenbaren ein ernstes Zerwürfnis zwischen dem Vorstand und dem E/U-Orchester und dessen Dirigenten, das, den Erinnerungen der damals Beteiligten zufolge, fast zu einem Eklat geführt hat. Der Vorstand warf einigen Mitgliedern die Verantwortung für „tumultartige Zwischenfälle“ bei einer Mitgliederversammlung vor, „vereinsschädigendes Verhalten“ kam zur Sprache, eine offizielle „Verwarnung“ wurde ausgesprochen. Man mag es kaum glauben! Das E/U-Orchester stand offenbar kurz vor seiner Auflösung, der Verein als ganzes wäre gefährdet gewesen! Dirigent und zahlreiche Spieler waren schon drauf und dran, den Verein zu verlassen, bis es doch noch irgendwie zu einer Befriedung kam. Glücklicherweise gelang es dem E/U-Orchester zu deeskalieren. Schon ein Jahr später ist nur eines der damaligen vier Vorstandsmitglieder noch im Amt, nämlich der 2. Vorsitzende, der kurz danach als letzter seine Position aufgibt. Übrigens ist Im Vereinsregister dokumentiert, dass kurzfristig von 1982 bis 1984 sogar fünf Vorstandsmitglieder im Verein tätig sind, ab 1985 sind es bis heute nur noch drei, zeitweilig unterstützt von einem Geschäftsführer.

Das Zerwürfnis ist umso unverständlicher, als dass der Emscherland-Akkordeon-Orchester Herne e.V. ein erfolgreiches, anerkanntes und beliebtes Element im Herner Kulturleben war - und längst auch im DHV, dem Deutschen Harmonika-Verband. Am 1. Juni 1980 organisiert das EAO zum ersten Mal eine DHV-Veranstaltung in Herne, die Bezirksmeisterschaften Ruhr, mit 600 aktiven Musikern. Das E/U-Orchester erspielt sich dort einen 1. Preis in der Oberstufe, Prädikat: hervorragend, besser geht’s nicht! Auch 1981 in Iserlohn, 1982 in Hattingen und 1983 in Oberhausen landen die EAO-Orchester oben auf dem Treppchen.

1981, der Verein hat gut 160 Mitglieder, entstehen aus dem Lehrorchester zwei Jugendorchester. Wie Petra Skrzypczak in der zweiten Ausgabe der Vereinszeitschrift „Taktstock“ berichtet, ist es überhaupt nicht einfach, die Interessen der Kinder und der Jugendlichen bei Proben und Konzerten übereinander zu bringen. So kommt es zur Aufteilung. Das Jugendorchester A leitet Petra, die Kinder im Jugendorchester B werden zunächst von Bärbel Winkler, später von Petra Willeke-Siepmann geleitet. Beim „Bunten Melodienreigen“ im Kulturzentrum Herne am 8. November 1981 treten die beiden Jugendorchester zum ersten Mal öffentlich auf.

Übrigens, über den „Taktstock“ berichten wir demnächst mal ausführlicher.

1983 ist wieder ein Jubiläumsjahr, der Verein wird 30 Jahre alt. Und zum ersten Mal bricht man nach Innsbruck auf, mit allen drei Orchestern und zwei Bussen. Dort in Österreich findet das erste Alpenländische Akkordeon-Festival statt, wie seitdem alle drei Jahre, längst unter der Bezeichnung World Music Festival Innsbruck. Letztes Jahr, 2022, musste es zum bisher einzigen Mal ausfallen, Corona war schuld.

Zur Feier des Jubiläums spielt das EAO eine Langspielplatte ein. Antje, damals Mitspielerin und heute EAO-Vorsitzende, hat ihre Erinnerungen neulich so zusammengefasst: „Zum 30jährigem Geburtstag haben wir uns ein ganz persönliches Geburtstagsgeschenk gemacht und eine Langspielplatte aufgenommen. LP, was ist das denn, wird mancher junge Mensch fragen. Die LP war das, was heute apple music und Spotify sind, allerdings nur beschränkt auf ca. 10 Titel, dann war Schluss.  Die Aufnahmen fanden damals in einem Tonstudio in Haltern statt. Beim ersten Termin im Tonstudio hatte der Toningenieur den Termin vergessen. Da er eingeschlafen war, mussten wir ihn erst wecken.

In vielen Sitzungen wurden die Stücke eingespielt. Ich persönlich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Es waren sehr zeitintensive und anstrengende Aufnahmen. Heute gibt es noch eine geringe Anzahl der LPs, gepresst wurden damals ca. 500 Stück.“

Leider findet sich im Fundus des Chronisten keine einzige dieser Platten mehr, wohl aber das Masterband und ein paar Kassetten mit gleichem musikalischen Inhalt. Zur Not könnten wir also nochmal 500 Black Disks pressen lassen …

Das Jubiläumskonzert zum 30. Geburtstag findet – schon traditionell - im Kulturzentrum Herne statt, alle drei Orchester präsentieren sich dort am 27. November 1983. Und die frischgepressten Platten werden bei dieser Gelegenheit erstmalig angeboten.

Aber Mitte Dezember berichtet die WAZ: "Die Platte ist unbrauchbar." Das Presswerk in Bremen hat die Löcher in der Mitte nicht genau zentrisch gestanzt, so dass sie auf dem Plattenspieler nicht rund drehen. Ein paar Wochen später werden die unbrauchbaren Scheiben gegen fehlerfreie umgetauscht, und die WAZ schreibt: „Jetzt ist die Tonqualität erstklassig.“ Und die künstlerische sowieso.

 

 


 

 

Highlights der Vereinsgeschichte: 1983 - 1993

Am besten, wir zitieren gleich mal Antje Tauber, unsere EAO-Vorsitzende, die in ihrer Ansprache anlässlich der 70-Jaher-Feier im Mai dieses Jahres gesagt hat: „In den 80er Jahren wuchs das Orchester enorm, wir hatten damals an die 200 Mitglieder.“ Und zeitweilig vier Orchester. Zwei Rekordzahlen, von denen wir heute weit entfernt sind.

Mit drei Orchestern sind wir in das vierte EAO-Jahrzehnt gestartet, und drei haben sich auch beim Jubiläumskonzert am 20. November 1993 im Kulturzentrum Herne präsentiert. Aber vier Jahre lang, von 1987 bis Ende 1990, gab’s noch ein viertes Orchester, die Spielgruppe für Kinder bis etwa 10 Jahren. Die Spielgruppe hat regelmäßig die Konzerte in diesen Jahren mitgestaltet, zweifellos zur Freude von Eltern, Omas und Opas. Die älteren Kinder, etwa bis 14 Jahre alt, haben sich im Lehrorchester zusammengefunden und die Jugendlichen bis ungefähr 18 im Jugendorchester. Und die noch älteren sind dann, wenn sie Spaß daran hatten und ein bisschen Fleiß zum regelmäßigen Üben und Proben mitgebracht haben, in das Erste Orchester gewechselt. Das Erste Orchester heißt so seit dem Frühjahrskonzert im März 1987; die vorherige, etwas sperrige Bezeichnung „E/U-Orchester“ ist seitdem Geschichte. Der neue Orchestername war klug gewählt; er hat bis heute Bestand und ist längst ein „Brand“, ein Markenkern im EAO-Kosmos. Einige Spieler und vor allem Spielerinnen aus dem damaligen Jugendorchester sind noch heute wichtige Stützpfeiler des Ersten Orchesters: Antje, Bettina, Claus, Doris, Martina, Peter und Roswitha seien beispielhaft erwähnt.

Martin Dejnega war damals der Dirigent des Ersten Orchesters, und er ist es bis heute. Die hohe musikalische Qualität des Orchesters ist sein Verdienst. Ein Zeitungsartikel vom März 1984 beschreibt ihn in einer Konzertkritik als temperamentvollen Dirigenten, der „mit geprägter Diktion für exakte Einsätze sorgte, darüber hinaus aber auch nicht vergaß, die dynamischen Steigerungsmöglichkeiten der Kompositionen voll auszuschöpfen“.Das können wir noch heute bestätigen, nicht nur in Bezug auf die Dynamik, sondern auch auf die Steigerungsmöglichkeiten der Tempi.

Martin engagierte sich neben seiner beruflichen Tätigkeit und seiner schon fast professionell betriebenen Dirigiertätigkeit auch im Deutschen Harmonikaverband. Seit November 1988 ist er der Vorsitzende des Bezirks Ruhr des DHV, des Deutschen Harmonikaverbandes; zuvor war er schon acht Jahre lang dessen Stellvertreter. Im Dezember 1984 berichtet die Werkszeitung von Martins Arbeitgeber, die Chemische Werke Hüls AG in Marl, heute Evonik, in einem ausführlichen Beitrag über ihn und sein so ernsthaft betriebenes Hobby. Und schon damals, so lernt der Chronist bei der Lektüre dieses fast 40 Jahre alten Artikels, hat Martin noch weitere Interessen, die er bis heute pflegt: Fotografieren, Französisch lernen und Tee trinken.

In der Spielgruppe, dem Lehr- und dem Jugendorchester ist Christiane Preckel (im Bild rechts, außerdem Petra Skrzypczak und Martin Dejnega) seit 1986 die prägende Persönlichkeit der folgenden Jahre bis 1993. 1986 besteht Christiane ihre Dirigentenprüfung, zunächst ist sie als Nachfolgerin für Petra Willeke-Siepmann für das Lehrorchester, dann zusätzlich für die Spielgruppe zuständig und ab 1990 auch für das Jugendorchester, das Petra Skrzypczak im Frühling 1989 das letzte Mal dirigiert hat. Christianes Name taucht zudem in den Konzertprogrammen dieses Jahrzehnts immer wieder als Solistin auf.

Große Konzerte im Kulturzentrum Herne finden regelmäßig im Frühjahr, März oder April, und im November statt. Meistens heißt es in den Programmen ein bisschen tiefstapelnd nur „Akkordeonkonzert“, 1984 gibt es einen „Bunten Frühlingsreigen“, 1986 im März und 1991 im November ein Wunschkonzert, bei dem unsere Zuschauer das Programm vorgeschlagen haben. Vom 1991er Konzert wird sogar eine Musikcassette produziert, einige wenige Exemplare davon existieren noch. Aber wo kann man die eigentlich abspielen?

Die Tradition, die Konzerte mit Solisten, Chören oder befreundeten Orchestern, auch aus Holland, gemeinsam zu gestalten, wird fortgesetzt. 1989 ist das Akkordeon-Orchester aus Neukölln zu Gast in Herne, das wir zuletzt im Mai 2022 in der Kreuzkirche als Akkordeon-Orchester Berlin begrüßt haben.

Ebenfalls in diesem Jahrzehnt entwickelt sich die Tradition der Herner Stadtteilkonzerte an verschiedenen Spielstätten, u.a. im Revierpark Gysenberg. Die EAO-Orchester nehmen daran jahrzehntelang immer wieder teil, bis 2020 die Corona-Pandemie die Stadtteilkonzerte zunächst gestoppt hat.

Im Mai 1984 und erneut im Mai 1990 richtet der Verein den Landeswettbewerb NRW des Deutschen Harmonikaverbandes in Herne aus. Um die 40 Orchester aus ganz Nordrhein-Westfalen mit 1000 und mehr Musizierenden haben in Herne um Punkte, Plätze und Pokale gerungen. Die Herner Orchester konnten von den Juroren ausgezeichnete und hervorragende Beurteilungen entgegennehmen.

Immer wieder sind die EAO-Orchester auch in anderen Städten unterwegs, zum Beispiel 1988 in Berlin, und 1986, 1989 und 1992 in Innsbruck, wo sich das „Alpenländische Akkordeon-Festival“ zum Internationalen Akkordeon- und Mundharmonika-Festival gemausert hat. Das Erste Orchester tritt dort zum Wettbewerb und Wertungsspiel in der höchsten Schwierigkeitsklasse, der „Kunststufe“, an und muss sich damals mit guten und sehr guten Bewertungen zufrieden geben – was gar nicht so gut ist, wie es sich anhört. Viel lieber wäre man mit hervorragenden Einstufungen nach Hause gefahren. Aber in späteren Jahren werden wir das schaffen … 1992 ist übrigens nicht das Erste Orchester in Innsbruck angetreten (anders als wir es kollektiv in Erinnerung hatten, aber das unbestechliche Programmheft von damals korrigiert unser Gedächtnis), wohl aber das Jugendorchester mit Christiane Preckel als Dirigentin.

1991 wird das Erste Orchester zum ersten Mal eingeladen, um die Weihnachtsfeier der Jubilare und Pensionäre der Klöckner-Humboldt-Deutz AG in Bochum musikalisch zu untermalen. Diese Tradition der KHD-Weihnachtsfeiern dauerte bis 2019 an, bis sie 2020 durch Corona ausgebremst wurde und leider keinen Neuanfang gefunden hat.

Die Chronik dieses vierten EAO-Jahrzehntes verzeichnet zum ersten Mal auch den Namen Reiner Franke, der von 1987 bis 1993 Geschäftsführer des Vereins war und in dieser Funktion den Vorstand unter seinem Vorsitzenden Rolf Traute entlastete. Reiner war in späteren Jahren (2000 bis 2007 und erneut 2011 bis 2020) selbst Vorsitzender des Vereins und hat ihm seinen Stempel aufgeprägt. Im Juli 2023 hat Reiner seinen 80. Geburtstag gefeiert. Wir sind ihm sehr dankbar für seine Tätigkeit zum Wohle des Vereins und wünschen ihm alles Gute!

Und zwei Jubiläen werden gefeiert: 1988 wird der Emscherland-Akkordeon-Orchester Herne e.V. 35 Jahre alt, 1993 40 Jahre. Lesen wir nochmal nach, was Antje vor kurzem gesagt hat: „Das 35ste Bestehen wurde mit einem Fest im Revierpark Gysenberg gefeiert, mit Bierbude, Bratwurst, Kuchen, Kinderbespaßung und natürlich Musik der Orchester und vielen Besuchern aus nah und fern.

Weil das Fest im Revierpark so schön war, gab es zum 40. Geburtstag (1993) eine Wiederholung. Diesmal war auch eine Hüpfburg für die Kids dabei. Das Erste Orchester gab ein Konzert, außerdem waren befreundete Chöre dabei, so dass der ganze Tag im Zeichen der Musik stand. Zum Jahreskonzert im Kulturzentrum gab es auch ein Ehemaligen-Treffen.“

 

Und sonst?

Der Eintrittspreis für die KuZ-Konzerte ist innerhalb dieser Jahre kräftig von sechs auf zehn Mark gestiegen (plus 67 Prozent!). Das machen wir nie wieder, versprochen!

1989 gab es einen Werbeflyer für die Orchester des Vereins. „Werde Mitglied im EAO Herne e.V.“ hieß es damals. Das gilt noch heute!

Und die Zeitungen haben viel ausführlicher als heute über uns berichtet, zum Teil in Form redaktionell kundiger und differenzierter Konzertkritiken. Haben wir uns dafür schon mal bedankt? Wenn nicht, hiermit tun wir’s!

In den Konzertprogrammen des Jahrzehnts wird überraschend häufig der Champagner-Galopp von Hans Christian Lumbye angekündigt. Und wenn er nicht angekündigt war, haben wir ihn als Zugabe gespielt. Wird also höchste Zeit, dass er mal wieder auf den Programmzettel kommt …

 

 


 

Auf ins neue Jahrtausend: 1993 - 2003

Um mal mit dem Ende zu beginnen: Das EAO feiert Geburtstag, seinen fünfzigsten - goldenes Jubiläum! Natürlich gibt es ein Jubiläumskonzert am 2. November 2003 im Kulturzentrum Herne, und das EAO hat sich fürs Konzert Gäste eingeladen, diesmal das russische Ensemble SABAWA mit seinen fünf Musikerinnen und Musikern. „Größte Begeisterung“, so schreibt die WAZ, habe das Gastensemble aus Russland, das sich gerade auf Deutschland-Tour befindet, mit seinen russischen Volksliedmelodien und jiddischen Liedern hervorgerufen. Auch das Erste Orchester lobt die Zeitung – und das Hobbyorchester, damals schon unter der Leitung von Margret Kotzian. Martin Dejnega ist mittlerweile seit 30 Jahren der Orchesterchef – und wird im Rahmen des Konzertes entsprechend gefeiert.

Das Hobbyorchester erwähnen wir in unserer Chronikserie hier zum ersten Mal, denn erst 1996 wurde es aus der Taufe gehoben. Genau genommen begann alles mit einem Zeitungsbericht am 2. Dezember 1995 …  

Der Emscherland-Akkordeonorchester Herne e.V. wolle ein „Seniorenorchester“ ins Leben rufen, heißt es da. Und tatsächlich gibt es im Februar 1996 ein erstes Treffen von Interessenten, nicht nur von Senioren.  17 Akkordeonspieler und -spielerinnen finden sich in den Ratsstuben in Herne zusammen, und am 15. März 1996, einem Freitag, beginnt die Probenarbeit unter der Leitung von Fritz Wolff. Auch heute, im August 2023, finden die Proben des Hobbyorchesters, wie es schon kurz nach der Gründung genannt wurde, immer noch freitags statt.

Schon im Jahr seiner Gründung nimmt das neue EAO-Orchester am Herbstkonzert im Kulturzentrum teil. Seitdem ist es fester Bestandteil der Jahreskonzerte; es wird mit seiner Dirigentin Margret Kotzian, die die „Hobbys“ seit 2001 leitet, nach jedem Auftritt begeistert umjubelt. Kein Wunder bei den oft eingängigen und vom Publikum geliebten Melodienmix aus Musicals, Filmmusiken und Kulthits!

Neben den Hauptkonzerten nimmt das Hobbyorchester gerne Konzerttermine in der Weihnachtszeit wahr; hin und wieder gibt es Auftritte bei anderen Vereinen, z.B. seit langem bei den jährlichen Schlesiertreffen, oder in Altenheimen. Die derzeit jüngste Spielerin im Hobbyorchester ist Ava mit 23 Jahren, die älteste ist Mia, die schon 91 Jahre zählt.

Das Hobbyorchester wird hochgeschätzt nicht nur vom Publikum, sondern auch im EAO; wir sind froh, dass wir es im Verein haben.

In diesem fünften Jahrzehnt des EAO-Vereinslebens gibt es besonders viel Kontakt zu anderen Akkordeonorchestern. In unserer Sammlung der Konzertprogramme finden wir Unterlagen, die gemeinsame Konzerte in Herne mit Orchestern aus Eisleben, aus dem Chiemgau und aus Rüsselsheim, sogar aus Nishny Tagil am Rande des Urals belegen. Und umgekehrt haben wir auch unsere Gäste in deren Heimat besucht und dort konzertiert - mit Ausnahme von Russland, dort sind wir nicht gewesen.

Keine zwei Autostunden von Nishny Tagil entfernt liegt Jekaterinburg mit seiner Musikhochschule, dem Ural-Konservatorium M. P. Mussorgski. Dort lehrt Viktor Romanko, Professor für Volksmusikinstrumente und virtuoser Solist am Knopfakkordeon. Viktor Romanko tritt zweimal in Herne bei EAO-Konzerten auf, 1994 und 1999, beide Male begeistert gefeiert vom dankbaren Publikum. Der Kontakt zu Prof. Romanko wurde durch Martin Dejnega hergestellt, Romanko wiederum war mit Nishny Tagil verbunden. (Foto: Siepmann, Ausschnitt waz-Bild)

In Herne setzt das EAO die Tradition der Stadtteilkonzerte auch in diesem Jahrzehnt rund um den Jahrtausendwechsel fort, oft gemeinsam mit einem Chor oder einem anderen Instrumentalensemble aus der Stadt. In unseren Unterlagen sind die Herner Stadtteilkonzerte seit 1969 belegt, damals am 14. Juni im Wichernhaus in der Bromberger Straße. Leider hat es 2020 mit der Corona-Pandemie einen Stopp der Stadtteilkonzerte gegeben; seitdem hat noch niemand sie revitalisiert.

International besucht das EAO die etablierten Wettbewerbe in Innsbruck in den Jahren 1995, 1998 und 2001 mit teils hervorragenden Ergebnissen. Außerdem nimmt das Erste Orchester des EAO an Wettbewerben in Kopenhagen (1996) und Prag (2000) teil.

Weniger erfolgreich verläuft das Engagement des Vereins in der Kinder- und Jugendarbeit. Bis 1993 garantierte noch Christiane Preckel für eine hohe Kontinuität bei den Dirigenten der Kinder. Aber danach wechselten die musikalischen Bezugspersonen recht häufig, man muss wohl sagen: zu häufig. In den Jahren von 1993 bis 1997 sind es fünf unterschiedliche Namen, die in den Konzertprogrammen erwähnt werden. Seit 1998 wird es für ein Jahrzehnt kein Kinder- und kein Jugendorchester mehr im EAO geben – was bedauerlich ist, gerade vor dem Hintergrund der frühen EAO-Geschichte: Das EAO ist aus einem Kinderorchester entstanden! Etliche Versuche, durch Workshops und Schnupperkurse Kinder fürs Akkordeon begeistern zu können, hatten nicht den Erfolg, den wir uns gewünscht hätten. Martina Schubert, heute Vorstandsmitglied des Deutschen Harmonikaverbandes im Bezirk Ruhr und mit der Jugendarbeit befasst – und immer noch aktives Mitglied des Ersten Orchesters -, hat sich schon damals stark engagiert, ohne in Herne einen echten Durchbruch erzielen zu können. Auch ein gemeinsames Konzert mit der Herner Musikschule am 6. Mai 2001 hat daran nichts ändern können. Die Zusammenarbeit bleibt ein einmaliges Ereignis.

Am 21. Februar 2003 verstirbt Willy Goetzke, der Vereinsgründer, 97jährig zu Beginn des EAO-Jubiläumsjahres. Bis zuletzt war er ein regelmäßiger Besucher unserer Konzerte. Aber das große Jubiläumskonzert im November und auch das Landesmusikfest NRW im Frühjahr 2003 hat er nicht mehr erleben dürfen. Der Verein würdigt seinen Ehrendirigenten mit einem ausführlichen Nachruf in der Zeitung, noch heute gedenken wir seiner in Dankbarkeit.

Ein weiterer Höhepunkt des Jubiläumsjahres ist das 8. Landesmusikfest NRW in Herne unter der Schirmherrschaft des damaligen NRW-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück. Das EAO richtet damit nach 1984 und 1990 zum dritten Mal das Landesmusikfest aus, diesmal mit 1200 Musikern, die in Herne unter anderem mit „kleinen (nicht immer gesunden) Leckereien“, wie die WAZ in ihrem Bericht schreibt, umsorgt werden wollen. Zahlreiche Helfer rund um den Vereinsvorsitzenden Reiner Franke meistern die Aufgabe bravourös. Der Tag endet mit einem Festkonzert des Ersten Orchesters im Kulturzentrum.

 

Einen Monat vor dem Jubiläumskonzert beginnt am 13. Oktober eine Ausstellung des EAO über die 50jährige Vereinsgeschichte in der Herner Sparkasse. „Sektempfang und kleine Appetithäppchen“ gibt’s, so heißt es in der Einladung. Und die werden gerne angenommen, so lesen wir’s in einem Bericht der WAZ tags darauf. Auch der damalige Herner Oberbürgermeister Wolfgang Becker ist neben Reiner Franke und den EAO-Ehrenmitgliedern Bärbel Günther und Adalbert Güldenstern auf dem Zeitungsfoto zu sehen. Noch eine Besonderheit offenbart die Einladung: Gleich zwei EAO-Logos, beide entstanden in diesem Jahrzehnt, über das wir berichten, sind darauf zu entdecken. Offenbar konnte man sich damals nicht so recht entscheiden, welches von beiden das geeignetere ist. Aus Sicht des Marketings wahrscheinlich nicht optimal, aber wir sind eben Tasten-Profis und keine Experten für Verkaufsförderung. Apropos Marketing: Die Herner Sparkasse unterstützt uns seit 1999 mit Werbeanzeigen in unseren Programmheften, wenige Jahre danach zählen auch die Stadtwerke Herne zu den Sponsoren, die regelmäßig bei uns veröffentlichen. Und das ist bis heute so – vielen Dank dafür! Hier (bitte klicken) haben wir einige von den ganz frühen Anzeigen gesammelt.

 

Was wir außerdem nicht vergessen wollen:

Erstmal am 26. Oktober 1996 haben wir unser Programmheft fürs Herbstkonzert um einen damals noch kurzen Konzertbrief ergänzt. Kurze Erläuterungen zu den Werken und deren Komponisten sind seitdem fester Bestandteil der Programmhefte. Heute, nicht zuletzt dank der Wikipedia und anderer leicht verfügbarer Online-Quellen, sind wir viel ausführlicher mit unseren Kommentaren.

Unser Ehrenvorsitzender Reiner Franke, der kürzlich 80 Jahre alt geworden ist, hat im Jahr 2000 seine erste Amtsperiode begonnen. Mit nur vier Jahren Unterbrechung war er bis Ende 2019 der Vorsitzende des EAO.

Das Jahr-2000-Problem der Informationstechnologie, das vor einem Vierteljahrhundert so vielen IT-Managern graue Haare hat wachsen lassen, betraf das EAO glücklicherweise nicht. Zwar gibt es mit den Bassakkordeons und den Elektronien, die bei uns die Blasinstrumente eines Sinfonieorchesters imitieren, durchaus Instrumente, die schon seit jeher mit Verstärkern und weiterer elektronischer Unterstützung arbeiten, aber dabei handelte es sich eben um analoge Technik. Jetzt nicht mehr: Als wir neulich mal Probleme mit einem Elektronium hatten und wir das Steuergerät aufschraubten, fanden wir dort zu unserer Überraschung einen PC, sauber zusammengebaut aus Mainboard, Hauptspeicher und Festplatte. Nachdem wir noch einen Bildschirm angeschlossen hatten, sahen wir erstaunt ein Ubuntu-Betriebssystem starten …  Immerhin, nach ein paar Eingaben auf der Kommandozeile funktionierte das Elektronium wieder, und seitdem wissen wir: Sollten Sie mal einen falschen Ton vom Elektronium hören, so hat sich wohl ein Computervirus eingenistet.

 

 


 

EAO at its best: 2003 - 2013

 

Das Herbstkonzert am 6. November 2004, das erste „große“ Konzert also im sechsten Jahrzehnt der Existenz des Emscherland-Akkordeon-Orchesters, wie üblich präsentiert im Kulturzentrum Herne, wartet mit einem bisher einmaligen Highlight auf: Reiner Franke, Vorsitzender des EAO, steht bei der ersten Zugabe selbst auf der Bühne, er spielt das Waschbrett. Der Titel: „Der rote Mohn von Missouri“ aus der Karl-May-Suite von Martin Böttcher. Rauschender Beifall, das dankbare Publikum verlangt zwei weitere Zugaben.

Im Laufe dieses Jahrzehnts wird aus dem Herbstkonzert der heute noch gebräuchliche Begriff „Accordion in Concert“. Dieser Titel taucht 2007 zum ersten Mal als Bezeichnung des Jahreskonzertes auf, damals noch ein bisschen falsch geschrieben: „Accordeon in Concert“ steht auf Flyer und Programmheft, hoffentlich hat’s keiner gemerkt! Auch der Flyer als Werbemittel ist neu, in den Jahren davor gab es zwar Plakate, von denen leider keines mehr erhalten ist. Den Flyer als zeitgemäßes Marketing-Instrumente nutzen wir 2007 zum ersten Mal. Um 2008 herum folgt unser erster Internet-Auftritt, damals wie heute mit der Zugangs-URL www.eao-herne.de. Wie er ausgesehen hat, wissen wir nicht mehr. Sicherungsdateien von damals sind nicht erhalten, auch keine Screenshots, und selbst eine intensive Google-Suche hat nichts Wissenswertes zu Tage gefördert. Offenbar hat das Netz unsere frühen Online-Versuche vergessen, obwohl es doch angeblich nichts vergisst … Immerhin, 2012 wird zum ersten Mal der Ticketshop fürs Jahreskonzert auf der Homepage in einem WAZ-Artikel erwähnt. 2013 gab es ein „Relaunch“ unseres Internet-Auftritts. Unser Vereinsmitglied Frank Berke hat sich damals sehr engagiert, und er hat einen guten Job gemacht. Denn seinen Internet-Auftritt nutzen wir im wesentlichen noch heute.

Für die vereinsinterne Kommunikation gibt es in den Jahren 2010 bis 2013 insgesamt zehn Ausgaben des neuen EAO-Newsletters. Nicole von Gersum, einige Jahre Vorstandsmitglied und lange Zeit Konzertmeisterin des Ersten Orchesters, hat sich um die Redaktion des Newsletters gekümmert. Aber damit ist viel, sehr viel Arbeit verbunden, und deshalb wird der Newsletter ab 2014 leider eingestellt. Die letzte Ausgabe ist hier abrufbar, bitte klicken.

2008 verwenden wir für das Programmheft zum ersten Mal das heute noch genutzte stilisierte Akkordeon-Logo, in den Jahren zuvor war es die bunte, grafisch gestaltete EAO-Wortmarke, die auf den Programmheften prangte. Von den Farben des Logos aber hat man nichts gesehen, gedruckt wurde schwarzweiß. Im Jahr 2011 wird’s zum ersten Mal farbig, und wir nutzen seitdem das Layout, das bis mindestens 2022 Bestand hatte. Im Jubiläumsjahr 2023 weichen wir ein wenig davon ab, ob dauerhaft, ist noch nicht entschieden. Die Konzertbriefe im Programmheft, die die aufgeführten Werke der Konzerte erläutern und die Vita der Komponisten nachvollziehen, werden umfangreicher und aussagekräftiger.

Wie schon fast immer laden wir zu unseren Jahreskonzerten häufig Gäste ein, Instrumentalisten, Chöre, befreundete Akkordeon-Orchester. Vielleicht besonders ungewöhnlich und daher erwähnenswert: 2006 ist die Tanzformation TodoTango unser Gast. Im Programmheft heißt es: Es „wird die enge Beziehung zwischen der Körpermitte und den Bewegungen … im Tango Argentino dargestellt“. Einer der Tänzer von damals, Jochen Madel, ist noch heute unser Fördermitglied.

Beim Jahreskonzert 2007 tritt nach einem Jahrzehnt erstmalig wieder ein Kinder-Ensemble auf. Ein wichtiger Meilenstein in der EAO-Geschichte, der Verein ist ja aus einem Kinderorchester entstanden! Dagmar Brücher leitet das Kinder-Ensemble bis 2012, danach übernimmt Vera Will bis 2020. Das Ensemble, dessen Mitglieder teils schon junge Erwachsene geworden sind, tritt 2019 kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie das letzte Mal auf. Ende 2020, ein Jahr, in dem kaum geprobt werden durfte, löst es sich auf.

Das Erste Orchester des EAO nimmt in diesem Jahrzehnt erneut an zahlreichen Wettbewerben teil. Schon 2004 geht es los mit der Teilnahme am 8. International World Music Festival in Innsbruck, auch 2007, 2010 und 2013 ist das EAO in Innsbruck dabei und misst sich in der Höchststufe, der „Champions League der Akkordeonmusik“, wie die WAZ einmal schreibt, mit anderen Akkordeon-Orchestern aus Europa. Das Erste Orchester kommt regelmäßig mit Top-Bewertungen, „hervorragend“ oder mindestens „ausgezeichnet“, aus Innsbruck zurück.

Im April 2006, beim 4. Europäischen Akkordeon-Festival Prag, wird das EAO eingeladen, das Galakonzert zu gestalten - eine große Ehre! Auch im Wettbewerb schlagen wir uns mehr als ordentlich: Höchststufe, 2. Platz, hervorragend. Beim Landes-Orchesterwettbewerb NRW (nicht nur Akkordeon, alle Instrumentengattungen sind vertreten) im November 2007 in Hamm ist das EAO aufgrund hervorragender Leistungen beim Abschlusskonzert dabei. Der WDR nimmt das Konzert auf; die Spielerinnen und Spieler von damals erzählen noch heute beeindruckt von der Professionalität der WDR-Tontechniker. Mit so vielen Mikrofonen der allerteuersten Kategorie auf der Bühne hatten wir davor und danach nie wieder zu tun.

 

Höhepunkt des Jahrzehnts ist ohne Zweifel die Ungarn-Tournee des EAO vom 3. bis 9. August 2009. Vier Konzerte gibt das Erste Orchester im Land, unter anderem in Budapest und am Plattensee. Heiß ist es, und begeistert ist das ungarische Publikum. Die EAO-Mitglieder lernen viel über Land und Leute, denn der Veranstalter hat rund um die Konzerte ein interessantes Rahmenprogramm gestaltet. Fast perfekt ist diese Konzertreise, wenn nicht in der letzten Nacht ein Akkordeon und ein Bass aus dem Bus gestohlen worden wären. Immerhin: Das Akkordeon wird nach kurzer Zeit bei Ebay angeboten und kann von der Polizei sichergestellt und unbeschädigt zurückgegeben werden. Der Bass jedoch bleibt verschwunden.

 

Am 30. Oktober 2007 wird unser Dirigent Martin Dejnega mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Damit findet seine jahrzehntelange ehrenamtliche Tätigkeit beim Emscherland-Akkordeon-Orchester Herne e.V. und beim Deutschen Harmonikaverband seine angemessene Würdigung. Einige Jahre danach ehrt auch der DHV seinen langjährigen Bezirksdirigenten Martin Dejnega mit der renommierten Rudolf-Würthner-Medaille.

 

Das sechste Jahrzehnt endet 2013 mit zwei tollen Konzerten. Im April heißt es in der Kreuzkirche „Accordion & Acoustic Crossover“; Gast ist UWAGA!, ein herausragendes Instrumentalensemble mit zwei Geigen, Akkordeon und Kontrabass. Und im November folgt das Jubiläumskonzert mit dem Pianisten Matthias Meyke, der mit dem EAO das Warschauer Konzert von Richard Addinsell aufführt, und Miroslav Nisic, dem UWAGA!-Akkordeonisten, mit einem Soloprogramm. Das Publikum spendet begeistert Beifall. Hier (bitte klicken) kann man den Konzertbericht von damals aus der Harmonika International nachlesen.

 

 


 

70 Jahre und kein bisschen leise: 2013 - 2023

 

Das jüngste Jahrzehnt in der EAO-Geschichte hat uns mit einer gänzlich unerwarteten Herausforderung konfrontiert: COVID. Derartige Probleme bewältigen zu müssen -  damit konnte 2013 im 60. Jubiläumsjahr wirklich niemand rechnen.

Im Gegenteil haben die Vereinsmitglieder und insbesondere die Helfer rund um Reiner Franke, der in seiner zweiten Periode als Vereinsvorsitzender auch das Jubiläumsjahr verantwortete, allen Grund, dem neuen Jahrzehnt in der EAO-Vereinsgeschichte gelassen entgegen zu sehen. Alles ist wohlgeordnet, ein Kinder- und Jugendensemble mit immerhin zehn Mädchen und Jungen gehört wieder zum Verein, und die beiden Orchester mit erwachsenen Spielern haben ihr jeweils klares und eigenständiges Profil, für das sie sich regelmäßig und zu Recht bei den Jahreskonzerten feiern lassen dürfen.

Martin Dejnega, schon immer und ewig, auf jeden Fall aber seit 1973, der Leiter des Ersten Orchesters, professionalisiert seine Musikausbildung und beginnt nach dem altersbedingten Ende seiner beruflichen Tätigkeit in der Chemieindustrie ein Musikstudium an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Da er keinen formalen Abschluss anstrebt, studiert er als Gasthörer, absolviert aber alles am Campus Essen-Werden, was die Studienordnung vorsieht: Vorlesungen, Übungen, Seminare und auch Klausuren und Prüfungen. 2016 ist dieses Engagement planmäßig vollendet.

Sein Erstes Orchester erspielt sich derweil bei seinen Wettbewerbsauftritten ausgezeichnete und hervorragende Bewertungen.

Hier vielleicht ein kleiner Exkurs: Die Akkordeonszene im deutschsprachigen Raum kennt die Wettbewerbsbenotungen Gut, Sehr gut, Ausgezeichnet und – in der Spitze – Hervorragend. „Gut“ ist also gar nicht so gut, wie es sich zunächst anhört, man strebt immer nach „hervorragend“. Aber verschenkt wird eine solche Beurteilung nicht, im Gegenteil, die Jury vergibt eine hervorragende Beurteilung wirklich nur dann, wenn es im Wettbewerb perfekt läuft. Und die Anforderungen an die Spitzenbenotung wachsen natürlich mit dem Schwierigkeitsgrad der aufgeführten Werke. Wer, wie das Erste Orchester, seit vielen Jahren in der Höchststufe antritt, muss zunächst ein anspruchsvolles Originalwerk der Akkordeonliteratur einstudieren, dabei seine eigene musikalische Aussage erarbeiten und schließlich vor einem Gremium hochkarätiger Juroren sich bei keinerlei Ungenauigkeit erwischen lassen.

Für das 12. World Music Festival 2016 in Innsbruck erarbeitet Martin Dejnega ein modernes Werk des usbekisch-russischen Komponisten Gennadi Tschernov, Titel: Introduktion, Scherzo – Toccata, und bringt es nahezu perfekt zu Gehör. Und trotzdem reicht es nicht ganz zu einer hervorragenden Bewertung, weil es beim zweiten Wettbewerbsstück, eigentlich eher als Zugabe konzipiert und deutlich leichter zu spielen als die „Introduktion“, zu einer kleinen Unsauberkeit kommt, die die Spitzenbenotung kosten wird. Enttäuscht ist trotzdem niemand. Das Erlebnis, vor zahllosen fachkundigen Zuhörern sein Bestes geben zu dürfen, ist grandios, und auch „nur“ ausgezeichnet abgeschnitten zu haben, ist ein hervorragendes Gefühl und macht stolz. Das Tschernov-Werk kommt übrigens auch beim Jahreskonzert 2016 auf die Bühne des Kulturzentrums in Herne und im Mai 2017 in Remscheid, jedesmal mit begeistertem Applaus: Es ist tolle Musik, modern und anspruchsvoll zwar, und dennoch eingängig mit ihren einprägsamen Rhythmen.

2019 ist das EAO in Innsbruck wieder dabei, auch auf nationaler Ebene 2015 in Recklinghausen und 2018 in Leverkusen, jeweils bei den Landesmusiktagen NRW, die ebenfalls alle drei Jahre stattfinden, genau wie das Innsbrucker World Music Festival. Auch hier: Höchst erfreuliche Rückmeldungen von der Jury.

Und warum keine Teilnahme 2021 in Bielefeld und 2022 in Innsbruck? Das ist eine andere Geschichte, die im übernächsten Absatz beginnt …

Auf kommunaler Ebene in Herne etabliert sich in diesem Jahrzehnt ein interessantes Format unter dem Titel „Taste trifft Stimme“. Das EAO tritt bei diesen Stadtteilkonzerten gemeinsam mit dem Funkenberger Frauenchor auf, manchmal auch mit anderen Chören, meistens in der Herner Kreuzkirche gleich neben dem Kulturzentrum. Diese Stadtteilkonzerte, kein Eintritt, Spenden willkommen, sind regelmäßig sehr gut besucht und sie bieten zudem ein wirkungsvolles Werbeforum für die Jahreskonzerte des EAO im November. Weitere regelmäßige und seit vielen Jahren unterstützte Veranstaltungen sind die Auftritte beim „Tag der Heimat“ des Bundes der Vertriebenen, bei der Weihnachtsfeier des KHD-Pensionärskreises, beim Mitmachtag der Stadt Herne im Revierpark Gysenberg und natürlich, seit dem Gründungsjahr, beim Heiligabendspiel im Evangelischen Krankenhaus. Auftritte in Altenheimen sind nicht mehr so häufig wie in den ersten Jahren des Vereins, stehen aber immer wieder auf dem Terminplan. Jedenfalls bis Ende 2019 …

Das Jahr 2020 beginnt eigentlich wie jedes andere Jahr, laut und ausgelassen, aber schon am 4. Januar veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung diese zunächst unauffällige Meldung: „Eine bisher nicht identifizierte Lungenkrankheit ist in der zentralchinesischen Metropole Wuhan ausgebrochen. Bislang seien 44 Menschen erkrankt. … Die Erkrankten seien in Quarantäne untergebracht worden. An mehreren Flughäfen in Asien wurden die Gesundheitskontrollen verschärft.
Grafik: Akkordeonorchester Solnhofen

Was das für Deutschland, für Herne und für das EAO bedeutet, wird zwei Monate später überdeutlich. Am 13. März 2020 spricht die Bundeskanzlerin im Fernsehen: „Es ist ernst, nehmen auch Sie es ernst.“ SARS-CoV-2, Covid, Corona, wie auch immer man den Virenstamm, die Krankheit oder die Infektion nennt, es wird eine völlig neue und überdies gefährliche Erfahrung.

Beim EAO fallen schon bald alle Proben aus, Auftrittstermine werden abgesagt, allen voran das Konzert am 10. Mai in den Flottmann-Hallen gemeinsam mit dem Berliner Akkordeon-Orchester, Motto: Ruhrpott trifft Berlin. Aber auch unser Auftritt bei der Landesgartenschau in Kamp-Lintfort am 21. Juni oder beim Pfarrfest der Gemeinde St. Dreifaltigkeit in Herne-Holthausen werden abgesagt. Immerhin können wir ab Ende Mai unter strengen Auflagen wieder proben: Masken tragen, Abstand halten, Anwesenheit dokumentieren – das sind die Gebote der Stunde. Die Probenbeteiligung ist gering, nur die Mutigen nehmen regelmäßig teil, und tatsächlich infiziert sich in diesem ersten Corona-Jahr niemand von uns.

Die große Frage natürlich: Kann das Jahreskonzert stattfinden? Wir stimmen uns mit den Verantwortlichen der Stadt und des Kulturzentrums Herne ab und kommen gemeinsam zu dem Ergebnis: nicht verantwortbar! Glücklicherweise erwachsen uns daraus keine finanziellen Nachteile; das Kulturzentrum ebenso wie im Mai schon die Flottmann-Hallen verzichten auf jegliche Storno-Gebühren.

Wir planen stattdessen ein kleines Konzertformat anstelle des großen Jahreskonzertes: Zwei einstündige Konzerte in der Kreuzkirche mit jeweils maximal sechzig Besuchern. Alle müssen sich anmelden, wir planen detailliert die Platzbelegung, setzen Familien zusammen, achten auf ausreichende Abstände, aber auch diese Anstrengungen sind am Ende für die Katz. Wir müssen die Herbstkonzerte absagen. Man fühlt sich an Bertolt Brecht erinnert: „Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ‘nen zweiten Plan, gehn tun sie beide nicht.“

Auch andere Vereinsaktivitäten fallen in diesem Jahr 2020 aus, keine Weihnachtsfeier, kein Vereinstag. Und die Sorge treibt uns um, ob es nach der Pandemie überhaupt gelingen kann, die Orchester wieder zu reaktivieren. Nun, heute wissen wir, fürs Erste Orchester und für die Hobbys ist das gelungen, für das Jugendensemble leider nicht. Aber wir haben fest vor, hier nochmals initiativ zu werden!

Das gleiche Bild überregional und international: Das Landesmusikfestival NRW, geplant für 2021 in Bielefeld, wird abgesagt, das World Music Festval in Innsbruck 2022 wird zunächst auf 2023 verschoben, dann ebenfalls abgesagt. Immerhin, beide Veranstaltungen werden reaktiviert, nämlich 2024 und 2025.

Manche liebgewordenen Traditionen jedoch werden dauerhaft nicht wiederkommen. Die Konzertreihe „Taste trifft Stimme“ gibt’s nicht mehr, viele Chöre singen nie mehr, der Mitmachtag im Gysenbergpark ist bisher nicht wiederbelebt, und die Weihnachtskonzerte bei den Klöckner-Humboldt-Deutz-Pensionären haben ebenso ihr Ende gefunden. Aber Musik an Heiligabend im evangelischen Krankenhaus in Herne wird es in diesem Jahr wieder geben.

Ab 2021, wir erinnern uns, gibt es Impfungen gegen Corona, Zertifikate auf dem Handy dokumentieren den Impfstatus und lassen allmählich auch größere Veranstaltungen wieder zu. Unser Jahreskonzert 2021 kann stattfinden, obwohl wir bis zum letzten Moment gebangt haben, ob es nicht doch noch zu einer kurzfristigen Absage kommt. Bei jedem Besucher überprüfen wir den Impfstatus, und wir sind freudig überrascht, wie gut das Konzert nachgefragt ist. Fast zu gut, gesteht uns der ein oder andere Besucher nachher, die Nähe zu anderen Konzertbesuchern ist ungewohnt geworden. Die Vorsichtsmaßnahmen zahlen sich aus: Soweit wir wissen, hat sich niemand bei unserem Konzert infiziert.

Die gemeinsamen Konzerte mit dem Berliner Akkordeon-Orchester können nachgeholt werden: Im Oktober 2021 sind wir in Berlin zu Gast; „Von der Emscher an die Spree“ lautet das Motto, und Ende Mai 2022 besuchen uns die Berliner in Herne. In der Kreuzkirche gibt es ein gemeinsames Konzert. Mittlerweile hat eine neue Geißel Europa im Griff: der Ukraine-Krieg! Bei unserem Konzert in der Kreuzkirche sammeln wir Spenden für die Ukraine, über 1.000 Euro kommen zusammen.

Das Jahreskonzert in diesem Jahr ist wieder „normal“: übliche Besucherzahlen, gute vierhundert, keine Corona-bedingten Einschränkungen mehr, die beiden Erwachsenen-Orchester haben wieder ihre Soll-Stärke erreicht. Und so geht es ins Jubiläumsjahr 2023, über das wir demnächst zusammenhängend berichten wollen.

Zum Abschluss unserer EAO-Chronik noch ein paar Splitter aus dem Jahrzehnt:

Über das Corona-Jahr 2020 haben wir weiter oben ausgiebig gejammert. Aber es gab im November 2020 auch ein hochinteressantes gemeinsames Projekt mit Pottporus e.V., unserem Mitbewohner im Probenraum in der Dorstener Straße 262. Dort ist ein Rap-Video mit Akkordeon-Begleitung für das Weimarer Dreieck entstanden, jener überstaatlichen Organisation, die die Bergbauregionen von Frankreich, Polen und Deutschland repräsentiert. Produziert wurde es in einem Dortmunder Tonstudio, die Videoaufnahmen entstanden auf der Zeche Zollverein, und einige von uns haben mitgemacht. Auf unserer Website haben wir darüber berichtet (hier klicken), und das Charbonner-Video ist nach wie auf Youtube abrufbar.

Am 22. Mai 2022 haben wir die Jubilarehrungen nachgeholt, die in den beiden Jahren zuvor ausgefallen waren. Ein ganz neues Format im Restaurant Wildrose, die Teilnehmer haben sich alle wohlgefühlt.

Auch Trauriges gibt es zu berichten: Im Juni 2018 ist unser Vorstandmitglied Thomas Glaesz völlig unerwartet verstorben. Thomas hat auch im Ersten Orchester aktiv mitgespielt; er hat eine große Lücke hinterlassen. - Im Oktober 2020 ist mit 92 Jahren unser ältestes Mitglied Adalbert Güldenstern verstorben. Adalbert war dem Verein seit Jahrzehnten verbunden; einige Jahre lang war er dessen Vorsitzender.

Das Hobbyorchester wurde 2016 zwanzig Jahre alt. Eine sehr schön gemachte Erinnerungsbroschüre erinnert daran. Wir stellen sie hier zum Nachlesen zur Verfügung. Von den Gründungsmitgliedern aus dem Jahre 1996 ist auch heute noch eine Spielerin dabei: Eva Stotz, 90 Jahre alt - heute, wohlgemerkt!

Beim Jahreskonzert 2021 wird Margret Kotzian geehrt. Sie leitet das Hobbyorchester seit zwanzig Jahren.

Martin Dejnega darf 2023 sogar sein 50. Dirigentenjubiläum feiern. Das ist in der gesamten Akkordeon-Szene ein außergewöhnlich seltenes Ereignis. Wir ziehen den Hut und gratulieren ihm herzlich!


 

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